Methadon gegen Krebs
Durch verschiedene Berichte in öffentlichen Medien und Fernsehen erlangte die Methadontherapie gegen Krebs eine gewisse Berühmtheit. Da diese Berichte meist in einem populärwissenschaftlichen Zusammenhang stehen, sind viele Missverständnisse aufgetreten. Ich will versuchen einiges darüber aufzuklären.
Vor ca. 15 Jahren erlangten zeitgleich zwei Mediziner in Deutschland, Herr Dr. Hilscher in Iserlohn und eine Naturwissenschaftlerin Frau Dr. Friesen zu der Beobachtung, dass eine spezielle Methadonlösung eine Hemmung der Ausbreitung von Krebszellen bewirkt. Sie arbeiteten jahrelang wissenschaftliche an diesem Thema und konnten diese These und Beobachtung mit der Zeit immer besser belegen.
Hier muss gesagt werden, dass es sich bei dem in der Krebsmedizin angewendeten Methadon in keinster Weise um das Methadon handelt, dass bei Drogenabhängige Verwendung findet. Dieses in der Krebsmedizin angewendete Methadon ist das DL- Methadon, ein Schmerzmedikament aus den fünfziger Jahren, dass eigentlich heute nur noch selten angewendet wird.
Frau Dr. Friesen konnte zeigen, dass das Methadon eine interessante Wirkung auf die Zellwand von Krebszellen hat. Es werden Rezeptoren besetzt, die gleichsam die Zellen öffnen und sie zugänglich machen für eine bessere Wirksamkeit von Chemotherapie. Einige wissenschaftliche Studien konnten diese Vermutung belegen.
Durch die Anwendung dieses eigentlich gut bekannten Schmerzmedikaments kam es aber auch zu der Entdeckung, dass es nicht nur eine Verstärkung der Chemotherapie gibt, sondern auch eine eigenständige Antikrebswirkung hat.
Das hat die Behandlungsmethode bedeutungsvoller gemacht.
Leider handelt es sich aber bei der Methadontherapie um eine Opiat Behandlung. Solche Behandlung finden oft im Rahmen einer Krebsbehandlung statt, weil die Schmerzsituation den Einsatz von Opiaten erfordert.
Opiate sind nicht gut verträglich. Nun handelt es sich auch bei diesem speziellen Methadon um ein recht altes und eigentlich nicht mehr in der Anwendung befindliches Schmerzmedikament. Die modernen Schmerzmedikamente sind verträglicher. Es muss also bei der Anwendung von Methadon mit Nebenwirkungen gerechnet werden.
Dafür ist eine ausführliche Beratung und Abwägung der vor und Nachteile so einer Behandlung nötig.
In meiner Praxis findet Methadon als gut wirksames Schmerzmittel seinen Einsatz.
In einer Darmstädter Apotheke wird die flüssige 1%ige Lösung nach meiner ärztlichen Rezeptur hergestellt. Die entsprechende Dosierung wird individuell bestimmt und der Patient oder seine Angehörigen werden genauesten in den Gebrauch der Methadonlösung eingewiesen.
Eine umfangreiche Darstellung über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Einsatz von D,L-Methadon finden Sie in diesem Artikel in Gesundheitsindustrie Baden Württemberg:
„Methadon als Krebsmittel: Klinische Studien müssen Wirksamkeit belegen“
Die Ulmer Krebsforscherin Dr. Claudia Friesen hat erreicht, wovon viele Forscher träumen: Ihre Entdeckung hat nicht nur zum Erkenntnisfortschritt beigetragen, sondern hilft auch Menschen. Eigentlich bereits austherapierte Krebspatienten, denen das Schmerzmittel Methadon in Kombination mit der herkömmlichen Chemo- oder Strahlentherapie verabreicht wurde, berichten über schrumpfende oder verschwundene Tumoren. Studien, die diese Wirkung belegen, liegen noch nicht vor. Fachgesellschaften warnen vor falschen Erwartungen.
Die Chemikerin, die von vielen Krebspatienten und deren Ärzten kontaktiert wird, kennt rund 750 Fälle und weiß von hundert Patienten, die „drastisch von D,L-Methadon profitiert“ haben, obwohl sie nach der Schulmedizin schon längst tot sein müssten – darunter viele mit dem bösartigen Hirntumor Glioblastom. Diese austherapierten Krebspatienten, für die nach den Leitlinien keine Therapie mehr Hoffnung verspricht, berichten bereitwillig am Telefon, wie nach dem Einsatz von Methadon als Schmerzmittel Tumoren schrumpften, Metastasen verschwanden und die Lebensqualität oft schlagartig wuchs. Methadon verschreibt entweder der Haus- oder der Palliativ-Arzt. Die betreuenden Ärzte halten dabei oft Rücksprache mit Friesen.
Methadon soll Krebstherapie unterstützen
Friesen will deshalb „Methadon als Unterstützer und Verstärker der konventionellen Chemotherapie in den klinischen Alltag einbringen.“ Es erhöhe den Therapieerfolg signifikant, überwinde Resistenzen und greife gesunde Zellen nicht an. Ihre Erkenntnisse ließen sich auch auf andere Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs oder bestimmte Formen von Brust-, Eierstock- und Prostatakrebs übertragen. Seit Juli 2015 weiß Claudia Friesen von sechs Glioblastom-Patienten, deren Wechsel auf das Schmerzmittel Methadon zu einer vollständigen Rückbildung aller Tumorherde geführt hat – was laut Schulmedizin ausgeschlossen ist. Sie führt diesen unerwarteten Tumorrückgang auf Methadon zurück.
Eine Patienten-Selbsthilfegruppe spitzt das Problem „Methadon für die Krebstherapie“ auf die Frage zu: „Warum also nicht (…) in fortgeschrittenen Krebsstadien eine D,L-Methadon-Therapie außer zur Schmerzreduktion auch zur Bekämpfung von Metastasen oder soliden Tumoren einsetzen? Hoffnungen, ob falsche oder berechtigte, haben keine Nebenwirkungen, sie können sich nur erfüllen oder nicht erfüllen.“ Das Zitat stammt von mamazone, einer nach eigenen Angaben 1.800 Mitglieder starken, gemeinnützigen Selbsthilfegruppe von Brustkrebspatientinnen, die in ihrem Magazin vom Juni 2015 Friesens Arbeit vorgestellt hat.
Den Wirkmechanismus von Methadon auf Krebszellen hat die Krebsforscherin der Fachwelt beschrieben und erklärt. Angezweifelt wurden ihre Erkenntnisse bislang nicht. Über die Laborexperimente an Glioblastomzellen berichtete auch die Deutsche Krebshilfe („Methadon: Allroundtalent gegen Hirntumoren“, 30.09.2014), die Friesens Forschung gefördert hat.
An klinischen Studien führt kein Weg vorbei
Das jedoch reicht nicht, um Methadon für die Krebstherapie einzusetzen. Denn die Substanz, die auch als Mittel gegen körperliche Entzugserscheinungen bei Heroinabhängigkeit zugelassen ist, muss vor einer behördlichen Zulassung als Krebsmedikament in klinischen Studien ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit an Patienten beweisen. Das weiß die Ulmer Krebsforscherin. Sie muss klinische Studien beantragen. Diese kosten Geld und Zeit, viel Zeit, die austherapierten Krebspatienten fehlt. Eine Phase-II-Studie, rechnet Friesen vor, kostet für eine Tumorentität 1,2 bis 1,5 Mio. Euro und dauert wohl ein bis zwei Jahre.
Seit die Chemikerin das Feld der Grundlagenforschung verlassen hat und sich in Richtung klinische Anwendung bewegt, sieht sie sich mit Kritik, Ablehnung und publizistischem Trommelfeuer aus den Reihen der etablierten und großen Universitätsmedizin konfrontiert. Am 26. März 2015 gingen die Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft (NOA) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer gemeinsamen Stellungnahme an die Öffentlichkeit. Darin warnen die Mediziner: „Bis heute gibt es keinen Nachweis für die Wirksamkeit der Methadontherapie bei menschlichen Gliomen“. Außerhalb klinischer Studien sei der Einsatz von Methadon „nicht gerechtfertigt“, „reich an unerwünschten Wirkungen“.
Fachgesellschaften: Experimentelle Daten ohne Aussagekraft
Die Stellungnahme nahm „Bezug auf eine Vielzahl von aktuellen Anfragen zum Thema“, dem man sich „nicht verschließen wollte“, begründet Prof. Dr. Wolfgang Wick die Veröffentlichung. Wick ist Sprecher der NOA und Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) an der Heidelberger Uniklinik. Dem Vorwurf der Ulmer Forscherin, dass vor der Veröffentlichung niemand Kontakt zu ihr aufgenommen habe, entgegnet Wick, dass „dieser Kontakt zum Wohle einzelner Patienten gesucht“ worden sei. „Zusätzlich stehen wir mit den onkologischen Kollegen von Frau Friesen in Ulm in Kontakt, um über weitere klinische Entwicklungen zu diskutieren“. Angesichts einer Vielzahl von Therapiekonzepten hätten die Fachgesellschaften nach Wicks Worten keine „Holschuld“.
Für die Warnungen der Fachgesellschaft vor dem gefährlichen Mittel Methadon hat Hans-Jörg Hilscher kein Verständnis. Er hält sie für substanzlos, nennt sie provokant „eminenzbasierte Medizin“. Der Iserlohner Palliativmediziner und Hausarzt Hans-Jörg Hilscher kennt Methadon wie kaum ein anderer. Seit 1999 setzt er das Mittel erfolgreich bei Schmerzpatienten im Hospiz ein, die besser und länger lebten, als ihnen die Diagnose zugestand.
Methadon kämpft gegen schlechten Ruf
Durch gemeinsame Verabreichung mit dem Zytostatikum Methotrexat gelang es ihm, die oft tödliche Bauchwassersucht und Pleuraergüsse bei seinen Krebspatienten zu unterbinden. Seit Friesens Zufallsentdeckung 2008, dass Methadon Krebszellen zerstört, arbeitet er mit der Ulmer Chemikerin zusammen. Auch ihm ist die mögliche Eignung von Methadon als Tumortherapeutikum aufgefallen. Methadon sei von allen Opioiden dasjenige mit den „geringsten Nebenwirkungen“. Hilscher hat in vielen Jahren ein Therapiekonzept für Methadon entwickelt, weiß durch viele Kontakte mit Kollegen aber, dass diese Angst haben es zu verschreiben. Es sei eine Mischung aus Unwissen, Propaganda und wirtschaftlichen Interessen, die zum „schlechten Ruf“ des Präparats beigetragen haben.
Methadon unterliegt der Betäubungsmittelverordnung. Das bedeutet, dass der Arzt Methadon auf einem gesonderten Rezept verschreiben muss. Die handelsüblichen Methadon-Lösungen oder -Tabletten sind nur zur Drogenersatzbehandlung zugelassen. Für D,L-Methadon benötigt man eine Rezeptur, die sich für Apotheken nicht rechnet, weil sie größere Mengen dieses Methadons einkaufen müssen und darauf sitzen bleiben, wenn es nicht regelmäßig verordnet wird, sagt Hilscher. Eine 100 ml einprozentige Methadon-Lösung, die für eine sechswöchige Therapie reicht, kostet nach seinen Worten zwölf Euro. „Es ist in niemandes Interesse, ein Medikament publik zu machen, das nichts kostet.“ Das vollsynthetische Opioid Methadon werde in relativ niedriger Dosierung eingenommen, zwischen 2 x 20 (entspricht 2 x 10 mg) und 2 x 35 Tropfen bei Schmerzpatienten – ganz anders als in Drogenersatzprogrammen, wo die Dosen meist zehnfach höher lägen. Eine solch niedrige Dosierung verursache wenige Nebenwirkungen, allenfalls leichte Übelkeit und Verstopfung.
Antrag für klinische Studie
Inzwischen sind Forscher um den Ulmer Mediziner Prof. Thomas Seufferlein (Chef der Uniklinik für Innere Medizin I) dabei, eine klinische Studie für Kolontumoren, der zweithäufigsten Krebsart, zu beantragen. In dieser Phase-I/II-Studie soll der Effekt von D,L-Methadon in der Behandlung von Patienten mit histologisch gesicherten, chemorefraktären kolorektalen Karzinomen untersucht werden. Hauptziel der doppelblinden randomisierten Phase-II-Studie ist die Bestimmung des progressionsfreien Überlebens zu Woche 12 der Therapie mit D,L-Methadon/Placebo.
Eine retrospektive Studie zum Einsatz von D,L-Methadon in der Gliomtherapie stellte Dr. Martin Misch, Oberarzt an der Klinik für Neurochirurgie der Berliner Charité, auf der Sektionstagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie Ende Oktober 2015 in Freiburg vor. Die retrospektive Studie in einer Fallserie von 20 Patienten hat gezeigt, dass D,L-Methadon mit den Krebstherapien ohne erhöhte Toxizität kombiniert werden kann. Zu Beginn der Therapie mit D,L-Methadon kann eine moderate Übelkeit auftreten, die innerhalb eines Monats verschwindet. Um die Wirksamkeit von D,L-Methadon in der Gliomtherapie evidenzbasiert zu überprüfen, ist jedoch eine prospektive randomisierte Studie nötig.
Ethisches Dilemma für „austherapierte“ Krebspatienten
Für „austherapierte“ Krebspatienten scheint dieses, für die Zulassung von Arzneimitteln vorgeschriebene Vorgehen keine Alternative zu sein. Müssten sie doch, wenn sie an einer solchen Studie teilnähmen, das „Risiko“ eingehen, statt D,L-Methadon ein Placebo zu erhalten und sich von ihrer womöglich letzten Hoffnung auf Besserung zu verabschieden. Ein ethisches Dilemma, für das es derzeit wohl keine rasche Lösung gibt.
Hinweis der Redaktion:
Dieser Artikel berichtet über Grundlagenforschung. Derzeit liegen keine Studien am Menschen zu Methadon als Krebsmittel vor. Ein Einsatz in der Therapie ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich und auch nicht absehbar. Wir bitten um Beachtung der Stellungnahme (Downloads) des Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU).
Literatur Methadon gegen Krebs:
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Hg.), Arzneiverordnung in der Praxis, Band 34, Sonderheft 1, Januar 2007: Handlungsleitlinie Tumorschmerzen aus Empfehlungen zur Therapie von Tumorschmerzen (3. Auflage), ( http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF_Kurzversion/Tumorschmerz_k.pdf#page=1&view=fitB)Friesen, C. et al.: Opioid receptor activation triggering downregulation of cAMP improves effectiveness of anti-cancer drugs in treatment of glioblastoma, 2014, DOI:10.4161/cc.28493, S. 1560-1570
Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV)
Defalque, Ray J.; Wright, Amos J.: The Early History of Methadone. Myths and Facts, Bulletin of Anesthesia History, Vol. 25, Nr. 3., Oktober 2007, S. 13-16
Deutsche Krebshilfe: Methadon: Allroundtalent gegen Hirntumoren, Pressemitteilung vom 30.09.2014
Friesen, C et al.: Opioid Receptor Activation Triggering Downregulation of cAMP Improves Effectiveness of Enti-cancer Drugs in Treatment of Glioblastoma, in: Cell Cycle 13:10, 1560-1570, E-pub.: 12th March 2014, DOI: 10.4161/cc.28493
Güthle, M. et al.: Eine Phase I/II-Studie zur Therapie mit D,L-Methadon in der Behandlung von Patienten mit histologisch gesicherten chemorefraktären kolorektalen Karzinomen, Z Gastroenterol 2015; 53 – KG214, DOI: 10.1055/s-0035-1559240
Universitätsklinikum Ulm (Hg.): Gegenseitige Wirkverstärkung kann Leben retten – Methadon in der Krebsforschung: Dr. Claudia Friesen und ihrem Team gelingt weiterer Durchbruch. Pressemitteilung vom 10.06.2013. http://www.uniklinik-ulm.de/news/article/1119/gegenseitige.html